Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
lassen Sie mich in meiner kurzen Stellungnahme zum Haushaltsentwurf 2018 auf einige wenige Punkte Bezug nehmen, die aus Sicht der Fraktion der Wählergemeinschaft Voerde wichtig sind.
Erstens:
Wie in den zurückliegenden Jahren haben wir festzustellen, dass es immer noch kein Konzept in Deutschland gibt, wie die Kommunen entschuldet werden können. Dies ist und bleibt ein sehr großes Versäumnis der Landes- und Bundespolitik und tangiert nachhaltig das verfassungsmäßig garantierte Selbstverwaltungsrecht der Kommunen.
Es ist und bleibt aus Sicht der Kommunalpolitik ein fortwährend bestehendes Ärgernis, dass Bundes- und auch Landespolitiker sich für sozialpolitische Leistungen in der Öffentlichkeit und in den Medien feiern lassen und dann verschweigen, dass ihre versprochenen Leistungen gleichfalls mit Geld aus dem kommunalen Haushalt bezahlt werden müssen, weil es keine 100%ige Erstattung gibt.
In Voerde beträgt der Transferaufwand inklusive der Kreisumlage im Haushaltsentwurf für 2018 44 Mio. Euro. Auch wenn der Kreisumlagesatz mit 38,5 v.H. in den letzten Jahren gesunken ist, so ist der Transferaufwand im Ganzen gestiegen und wird weiter steigen. Hier benötigen beispielhaft die durch die Stadt Voerde zu 100% zu zahlenden Hilfen zur Erziehung und die, durch das Land auf nur 3 Monate begrenzte Erstattung der Unterbringungskosten im Asyl ständig mehr Geld.
Geld, das auf der Einnahmeseite in Voerde auch in konjunkturell guten Zeiten wahrhaft nicht sprudelt. So bleibt die Gewerbesteuer als Sorgenkind wieder einmal hinter dem Haushaltsansatz von 10 Mio. Euro in 2017 zurück. In Voerde herrscht das in den Medien immer wieder kritisierte Spiel der Steuervermeidung. Nur, dass es hier eben nicht Apple, Starbucks, Amazon etc. sind.
Zweitens:
Die Risiken für den Haushalt 2018 bestehen in den schon vorerwähnten HZE-Kosten, in der erwartbaren Steigerung der Personalkosten über dem bereits eingepreisten Haushaltsansatz von 2,9% oder 500.000 Euro und im Umlagesatz des LVR. Ferner belasten den Haushalt erhöhte Planungskosten im Kita-Bereich, deutlich höhere Kosten für den Neubau der Sportanlage in Friedrichsfeld und die Sanierung der Dreifach-Sporthalle am Gymnasium Voerde, eine in 2018 erhöht zu Buche schlagende Krankenhausumlage, Sturmschäden wegen Friederike sowie eine anscheinend nicht 100%ige Erstattung der Personalkosten durch erhöhten Aufwand im Bereich Unterhaltsvorschuss.
Kritisch zu hinterfragen aus Sicht einer finanzschwachen Kommune ist die Vorgehensweise von Bund und Land als Initiatoren von Förderprogrammen. Es soll das Wahlvolk mehr als weniger gewogen stimmen, wenn in der Nähe von Wahlterminen Gelder für Projekte an der Basis verteilt werden. Im Fall der Sportanlage Friedrichsfeld zeigt sich aber, dass gut gedacht (hier durch den Bund) nicht immer gut gemacht ist. Hätte die Bundesregierung nicht wissen können, dass in Zeiten, in denen die Wirtschaft floriert, auch Preise steigen? Für Voerde bedeutet dies, dass die Stadtverwaltung 800.000 Euro zusätzlich im Budget finden musste, um die aufgerufenen Preise der Unternehmen in einem überhitzten Markt zahlen zu können. Wie wirkt das auf eine Öffentlichkeit in Voerde, die seit Jahrzehnten gebetsmühlenartig vorgetragen bekommt, Voerde sei arm? Das Steuergeschenk des Bundes – ohne undankbar sein zu wollen – wirkt angesichts dieser Entwicklung, für die der Fördergeber jede Mithaftung ablehnt, in einem anderen Licht. Wie würde Berlin eigentlich reagieren, wenn eine Kommune in einem solchen Fall kein weiteres Geld nachschießen kann?
Ein weiteres Ärgernis der letzten Jahre bleiben die sehr hohen Ermächtigungsübertragungen aus den vergangenen Haushaltsjahren. Obschon hier ein leichter Rückgang festzustellen ist, bleiben sie mit 6 Mio. Euro in der Tendenz zu hoch.
Mit 56 Mio. Euro Kassenkrediten ist der vom Rat genehmigte Verfügungsrahmen von 70 Mio. Euro zwar nicht ausgeschöpft, die Höhe und eigentlich notwendige Reduzierung der Kassenkredite aus dem laufenden Haushalt in konjunkturell guten Zeiten stellt allerdings einen nicht leicht zu erfüllenden Wunsch dar. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass der vom Land verteilte Kuchen für Kommunen wie Voerde in 2018 ein Wenig größer geworden ist. Diese leicht erhöhten Schlüsselzuweisungen reichen aber keinesfalls, die oben geschilderten Belastungen für den Haushalt durch Entscheidungen von Bund und Land aus den vergangenen Jahren auch nur im Ansatz zu kompensieren. Vor dem Hintergrund einer vom Land aktuell eingeforderten erhöhten Krankenhausumlage lässt sich hier der Vorwurf „linke Tasche – rechte Tasche“ formulieren.
Drittens:
Für uns bleiben die Akzente, die der Haushalt setzt, zaghaft und in Teilen mutlos. Bis heute ist uns nicht klar, wie die Verwaltung die auch von uns in den Vorjahren geforderte Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben möchte. Es bleibt offen, warum es keine Kommunalverwaltungs-App gibt, mit der Bürgerinnen und Bürger ihre Anliegen im „standardisiertes Geschäft“ erledigen können. Weiterhin gibt es keine Verwaltungsroutine für eine sichere und geschützte Email-Kommunikation zwischen Verwaltung und Fraktionen bzw. Ratsmitgliedern. Allein der Wunsch, ein Passfoto digital an die Voerder Verwaltung zur Beantragung eines neuen Ausweises senden zu wollen, lässt sich in Voerde nicht realisieren. Hier muss der Bürger einen Fotoausdruck mitbringen, damit dieser dann wieder mit einem Scan im Bürgerbüro digitalisiert werden kann. Als Fraktion der Wählergemeinschaft Voerde fragen wir uns, inwiefern es im Rathaus eine durch den Verwaltungsausvorstand geförderte Kultur gibt, die eigenen Prozesse kritisch zu hinterfragen und Verbesserungen vorzuschlagen und umzusetzen.
In mehreren Anträgen hat die WGV-Fraktion auf die fehlende Barrierefreiheit fast aller Bushaltestellen im Stadtgebiet hingewiesen und deren Modernisierung gefordert. Die Verwaltung hat dann festgestellt, dass es zuerst eines Haushaltsansatzes bedarf, um auch Fördermittel des Landes zu erhalten. Aktuell sind einige wenige Voerder Bushaltestellen im Förderprogramm, was gut ist. Nur, wo bleibt die an zentral gelegenen und stark frequentierten Bushaltestellen notwendige und für eine Akzeptanz des ÖPNV wichtige dynamische Fahrgastinformation? Zumindest an den Haltestellen „Friedrichsfeld Bf.“, „Friedrichsfeld Post“, „Klosterkamp“ (also Ärztehaus), „Voerde Bf.“ und Rathausplatz sind diese dynamischen Ankunfts- und Abfahrtsterminals notwendig.
Zum Schluss ein Blick auf die Berichterstattung zum Kombibad, dem Frei- und Hallenbad an einem Standort: Diese Anmerkung allerdings vor dem Hintergrund der Haushalts- und Finanzsituation der Stadt und ohne Wahlkampftremolo. Dass Frei- und Hallenbad in die Jahre gekommen sind und einen erkennbaren Unterhaltungs- und Modernisierungsstau haben, wissen die Ratsfraktionen, weiß die Öffentlichkeit seit vielen Jahren. Genauso wissen alle, dass die Stadt Voerde aus eigenen Haushaltsmitteln nie in der Lage sein wird, ein solches Kombibad zu bauen oder zu betreiben. Es bleibt festzuhalten, dass die WGV-Fraktion 2014 für ein Voerder Stadtwerk im Rat gestimmt hat und damit die sich bietende Chance für eine moderne Bäderlandschaft in Voerde genutzt hat. Das Kombibad hätte sich dann in absehbarer Zeit bereits realisieren lassen und nicht erst – wie jetzt vollmundig medial versprochen – in fünf Jahren.